Auersmacher · Nach Jahren wagt die „Junge Bühne Auersmacher“ den Wechsel in eine neue Wirkungsstätte und verabschiedet sich am September mit einer letzten Premiere von ihrer „Kleinen Bühne“. Der Umzug erfolgt allerdings nicht ganzfreiwillig.
Von Martina Krawulsky
Sie leiten die Geschicke der traditionsreichen Jungen Bühne Auersmacher Jannis Brach (Theater und Spielbetrieb) und Stephan Lang (Organisation und Verwaltung)
Foto: Iris Maria Maurer
Die Kisten sind gepackt, der große Theaterfundus leergeräumt, die Kostüme, Requisiten, Dekorationen von Jahrzehnten verkauft, verschenkt, verscherbelt: Wehmut liegt in der Luft bei einem letzten Rundgang durch diese kleine, aber weit über ihre regionalen Grenzen hinaus bekannte Traditionsbühne.
1962 als „Junge Bühne Auersmacher“ gegründet, hatte sie 1984 ganz legal den leerstehenden Anbau der Grundschule auf dem Blies gekapert, kurzerhand für 25 Jahre im Voraus die Miete gezahlt, die Ärmel hochgekrempelt und in Eigenarbeit aus sechs Klassenräumen ein komplett funktionierendes Theater
gezaubert. Mit Bühne, ansteigendem Zuschauerraum, Stellwerk, Beleuchtungsrampen und klassischem roten Samtvorhang. Die „Kleine Bühne“ eben.
Und dann ging es los: Jeden Herbst und jeden Winter Komödien und Dramen, Märchen und Jugendstücke, Konzerte und Lesungen: „In 40 Jahren 40 Inszenierungen, sechs Produktionen pro Spielzeit, da kommt man locker auf 400 Aufführungen“, rechnet Josef Lang vor. Er ist der Mann der ersten Stunde, Mitbegründer und bis 2023 auch Vorsitzender des engagierten Auersmacher Theatervereins.
Über 70 aktive Mitglieder gibt es. Davon drei Kinder- und Jugendgruppen, die sich einmal pro Woche zum kreativen Spiel treffen. „Hier werden aus Kindern Persönlichkeiten. Jeder und jede ist wichtig, unersetzbar. Das prägt“, so Josef Lang, der auch Leiter des Saarbrücker Sozialamts war.
Ein Bild aus vergangenen Zeiten im kleinen Theater. Damals dabei Hans-Josef Frey, Gilbert Messner, Simone Nickles, Christel Paschwitz, Willi Brach und Josef Lang
Foto: fine art press
Theater als sozialer Kitt? Stephan Lang und Jannis Brach, beide im neu gewählten Vorstand und beide schon als Kinder mit von der Partie, lachen. „Aber holla! Und erst recht, wenn im Fünfjahresrhythmus hier die
Auersmacher Passionsspiele stattfinden!“
1935 ins Leben gerufen, werden sie inzwischen ebenfalls von der „Jungen Bühne“ ausgerichtet. Im kommenden Jahr ist es wieder soweit: Dann steht halb Auersmacher auf den Theaterbrettern. „Die andere Hälfte baut Kulissen, näht Kostüme, betreut die Crew und die Zuschauer, die sich aus dem gesamten Saar-Pfalz-Mosel-Kreis und dem nahen Frankreich einfinden“, erzählen die beiden Theaterbegeisterten. Gelebtes kulturelles und soziales Miteinander in Kostüm und Maske also.
Gleich zweimal wurde die „Junge Bühne“ für ihre interkulturelle Kompetenz und ihre Nachwuchsförderung mit dem Kulturpreis des Regionalverbands Saarbrücken ausgezeichnet (zuletzt 2018). Josef Lang, unermüdlicher Manager, Regisseur und Schauspieler in persona, erhielt 2020 das Bundesverdienstkreuz.
Auersmacher ohne seine „Junge Bühne“? Unmöglich! Und doch gilt: Wenn ab 2026 in Deutschland der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder greift und die Räume benötigt werden, müssen die Künstler ihr Bündel geschnürt haben. „Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen“? Ganz so dramatisch wie Schiller wollen sie es nicht ausgedrückt wissen, denn „wir alle machen hier seit Jahren Jugendarbeit, wir haben selber Kinder, wir kennen die Probleme“, so Stephan Lang.
Über 25 Jahre her, eine Probenszene mit Regisseur Josef Lang (2. v. r.) und seinen Darstellern von links Rolf Dincher, Claudia Dörr und Veronika Lang.
Foto: Wunderlich
Zudem hat sich mit der Sanierung des aus dem 19. Jahrhundert stammenden, zentral gelegenen Gebäudeensembles und ehemaligen Landgasthauses Ruppertshof eine neue Wirkungsstätte aufgetan. „Das kann was werden“, hofft Jannis Brach. „Aber im Moment ist für uns alle dieser Abschied noch schwer vorstellbar“.
Im Herbst 2026 soll sich im Ruppertshof ein neuer roter Vorhang zur ersten Premiere öffnen. Bis dahin heißt es jedoch wie vor 40 Jahren: Ärmel hochkrempeln und in Eigenarbeit aus einem leeren Raum ein Theater
zaubern.
Kann man eine alte Liebe besser verabschieden als mit zwei skurrilen Einaktern des großen amerikanischen Stadtneurotikers Woody Allen? Gelegenheit dazu gibt es bei einer letzten kleinen Premiere am 27. September,
wenn im „Riverside Drive“ Neurosen und Ehekrisen pointiert und voller Esprit zum Kriminalfall mutieren und als starkes Happy End „Der Tod klopft“, aber dann doch nicht so richtig zum Zug kommt. Großstadtgeschichten vom Feinsten also für die kleine Gemeinde Auersmacher. Und für ihre seit über 60 Jahren „junge Bühne“ der Aufbruch zu neuen Theater-Ufern.
Quelle: Saarbrücker Zeitung